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Stillen von A bis Z: Das große Interview mit Hebamme Ann-Katrin Hiller

Frischgebackene Mamas haben oft eine Vielzahl an offenen Fragen zum Thema Stillen. Wie lange sollte man stillen? Wie oft sollte man das Baby anlegen? Welche Stillposition ist am Anfang die beste?

Damit keine Unsicherheit oder sogar Angst vor dem Stillen entsteht, ist es wichtig, offene Fragen vor der Stillzeit mit einer Stillberaterin oder einer Hebamme zu klären. Wir haben für euch mit Ann-Katrin Hiller gesprochen, ihres Zeichens Hebamme im Team Livella.

Hier lest ihr, was sie uns zu Stillpositionen, Stillbeschwerden, Langzeitstillen und Co. erzählt hat. Außerdem hat sie einige hilfreiche Tipps für junge Mamas parat.

Livella: Hallo, Ann-Katrin. Schön, dass du heute bei uns bist. Möchtest du dich vielleicht einmal kurz vorstellen, bevor wir ins Thema einsteigen?

Ann-Katrin: Mein Name ist Ann-Katrin Hiller. Ich wohne im Süden Deutschlands in der Nähe des Bodensees und bin seit zehn Jahren Hebamme. Ich arbeite im Kreißsaal und darf dort Geburten begleiten. Seit neun Jahren arbeite ich zudem als freiberufliche Hebamme und biete Geburtsvorbereitungskurse und Nachsorgebetreuung an. Hier begleite ich die Familien in dieser besonderen Zeit nach der Geburt über rund acht Wochen.

Livella: Du bist jetzt seit knapp zehn Jahren als Hebamme tätig. Was hat dich dazu bewegt, diesen Berufsweg einzuschlagen?

Ann-Katrin: Schon als Kind fand ich es ganz besonders, wenn eine Frau schwanger war und ein Baby im Bauch hatte, das heranwächst und irgendwann geboren wird. Mit 16 Jahren durfte ich dann meine erste Geburt sehen und war voller Glück und Adrenalin. Seitdem war für mich klar, dass ich Hebamme werden möchte, und ich bereue es keinen einzigen Tag.

Livella: Als Hebamme arbeitest du in einem Beruf, der einem wirklich etwas zurückgibt und der einen erfüllt. Hast du ein besonders tolles Erlebnis in deiner beruflichen Laufbahn, an das du dich bis heute gern zurückerinnerst?

Ann-Katrin: Bei so einem einzigartigen Erlebnis dabei zu sein, erfüllt mich jedes Mal mit Stolz. Familien warten neun Monate oder länger auf diesen besonderen Tag und ich darf genau in dieser Sekunde, wenn das Baby geboren wird, dabei sein. Jede Geburt ist ein tolles Erlebnis.

Livella: Soweit zu dir und dem, was du machst. Kommen wir jetzt zum Stillen. Frischgebackene Mamas haben oft viele offene Fragen, wenn es ums Stillen geht. Genau diese Fragen möchten wir heute gern mit dir beantworten. Fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Wie lange sollte man stillen?

Ann-Katrin: Die WHO (Weltgesundheitsorganisation, Anm. der Redaktion) empfiehlt ausschließliches Stillen über sechs Monate und anschließend teilweises Stillen in Kombination mit fester Nahrung bis zum zweiten Geburtstag. So ist auch meine Empfehlung. Wenn eine Frau vorhat, vorher abzustillen, empfehle ich, mindestens das Kolostrum vollständig zu stillen. Das ist die wichtige Vormilch, die viele Antikörper enthält und auch als erste Impfung des Babys bekannt ist.

Livella: Gerade Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, sind zu Beginn meist sehr besorgt, dass sie irgendetwas falsch machen könnten. Hast du hier aufmunternde Worte, die du frischgebackenen Mamas mit auf den Weg geben möchtest?

Ann-Katrin: Es gibt einen Unterschied, ob man sagt “Ich weiß noch nicht, ob es klappt, aber ich möchte es mal versuchen” oder “Ich nehme es mir fest vor, zu stillen und ich kann das”. Habt Vertrauen in euch, in euren eigenen Körper und in euer Baby! Ihr schafft das!

Livella: Abgesehen von diesem mangelnden Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gibt es viele Fragen, die sich frischgebackene Mamas immer wieder stellen. Dazu gehört auch, wie oft man ein Neugeborenes stillen sollte. Gibt es da eine Faustregel?

Ann-Katrin: Damit die Milchproduktion bestmöglich angeregt wird, sollte das Baby in den ersten 24 Stunden sechs bis acht Mal angelegt werden und nach 24 Stunden acht bis zwölf Mal.

Livella: Viele Frauen wollen ihr Kind unbedingt stillen. Aber leider klappt das zumindest in der Anfangsphase nicht immer so reibungslos. Was sind die häufigsten Stillprobleme und Herausforderungen, die du in deiner Tätigkeit als Hebamme siehst?

Ann-Katrin: Ich denke, sehr häufig ist das Problem, dass man sich oft nicht mit dem Stillen zuvor beschäftigt. Gerade in den ersten Tagen kommt vieles zusammen. Die verletzliche Zeit nach der Geburt, der Milcheinschuss, vielleicht wunde Brustwarzen oder ein Baby, das sehr viel oder auch nur sehr wenig an die Brust möchte… Hier macht man sich oft viele Sorgen und setzt sich unter Druck. Aber das Stillen kann man nicht an den ersten Tagen messen. Deshalb heißt es durchhalten, bis Mama und Kind sich an diese neue Situation gewöhnt haben.

Livella: Stillprobleme sind häufig ja auch mit Schmerzen für die Mutter verbunden. Wieso tut Stillen weh? Also, was sind die häufigsten Ursachen bei Stillbeschwerden?

Ann-Katrin: Wenn das Baby von Anfang an gut angelegt ist, sollte das Stillen nicht weh tun. Deshalb ist es hier besonders wichtig, schon im Geburtsort eurer Wahl oder mit der Hilfe einer Hebamme das richtige Anlegen zu lernen. Stillen tut weh, wenn das Baby nicht genügend von der Brustwarze im Mund hat.

Livella: Hast du eine Stillposition, die du besonders gut findest oder die du Mamas empfehlen kannst, bei denen es anfangs nicht so klappt wie gewünscht?

Ann-Katrin: Die Rückenhaltung beziehungsweise Seitenhaltung ist empfohlen und reduziert die Gefahr, dass die Brustwarzen wund werden. Hierbei liegt das Baby mit den Beinchen nach hinten an der Seite der Mutter. Häufig legen die Frauen aber auch in der Wiegehaltung an, da dies für den Anfang oft die einfachste Stillposition ist.

Livella: Verschiedene Stillpositionen auszuprobieren, ist nur eine Möglichkeit, um Stillprobleme zu lösen. Hast du noch weitere Tipps fürs Stillen, die du frischgebackenen Mamas geben kannst?

Ann-Katrin: Es ist wichtig, dass man sich während einer Stillmahlzeit komplett auf diese konzentriert. Man sollte darauf achten, dass das Baby auch während der Stillmahlzeit immer noch korrekt angelegt ist, und bei Bedarf nochmals korrigieren. Für das Kind ist es wichtig, dass es in Ruhe an der Brust saugen kann, ohne Ablenkung durch Geräusche. Zudem rate ich dazu, das Baby so früh wie möglich anzulegen und auf frühe Hungerzeichen zu achten.

Livella: Möglichst frühzeitig das erste Mal anzulegen, fördert also einen guten Stillstart. Aber was genau heißt denn in diesem Zusammenhang “frühzeitig”?

Ann-Katrin: Nach der Geburt sollte das Baby nach den ersten 30 Minuten, spätestens aber nach zwei Stunden, das erste Mal an der Brust getrunken haben. Es ist wichtig, frühzeitige Hungerzeichen zu erkennen. Wenn das Baby vor Hunger weint, war es auf jeden Fall zu spät. Dann trinkt es sehr unruhig an der Brust.

Livella: Und wie sieht das in Fällen aus, in denen die Mutter nach der Geburt körperlich zunächst gar nicht in der Lage ist, sich eigenständig um ihr Baby zu kümmern? Also wie funktioniert zum Beispiel Stillen nach einem Kaiserschnitt?

Ann-Katrin: Hier könnte es von Vorteil sein, vorab Kolostrum zu sammeln, was schon ab der 36. bis 38. Schwangerschaftswoche möglich ist. Das geht mithilfe von 1-ml-Spritzen direkt von der Brust. Dann kann man sich sicher sein, dass der Vater oder die Hebamme das Kolostrum füttern können - egal, wie die Zeit nach der Geburt wird. In vielen Kliniken hat man das Baby nach der Bauchgeburt (Kaiserschnitt, Anm. der Redaktion) bis zur Umlagerung vom OP-Tisch auf der Brust. In diesem Fall wird schon im OP unterstützt, dass das Baby an der Brust trinken kann.

Livella: Die Stillzeit ist eine aufregende Zeit und als Mama muss man sich erst einmal in den Babyalltag einfinden. Welche Unterstützung braucht es denn, damit die Eingewöhnungsphase gut läuft?

Ann-Katrin: Das Wochenbett heißt nicht umsonst WochenBETT. Man sollte vor allem in den ersten Tagen bis Wochen im Bett bleiben. Nur so kann man sich am allerbesten in dieser besonders sensiblen Zeit regenerieren und aneinander gewöhnen. Die Hebamme kommt regelmäßig und schaut nach Mutter und Kind. Deshalb empfehle ich, sich schon nach einem positiven Schwangerschaftstest nach einer Hebamme umzusehen. Zudem sollte die Familie die Mutter mit Haushaltsarbeit, Kochen und Botengängen unterstützen, sodass die Mutter sich um nichts kümmern muss.

Livella: Hinzu kommt dann ja auch noch, dass nach der Geburt im Körper der Rückbildungsprozess einsetzt und der Körper wieder zum Zustand vor der Schwangerschaft zurückkehrt. Wann kommt die Periode nach Geburt und Stillen denn wieder zurück?

Ann-Katrin: Wenn eine Frau stillt, hat sie in den meisten Fällen keinen Eisprung und damit auch keine Periode. Es gibt allerdings immer wieder Fälle, in denen Frauen auch in der Stillzeit schwanger werden. Dies liegt daran, dass der Eisprung schon da war, bevor die Periode kommt. Deshalb sollte man sich auch über die Verhütung nach der Geburt Gedanken machen.

Livella: Umstellungsprozesse im Körper, neue Aufgaben als Mama, die Milchbildung… Die Stillzeit verlangt dem Körper einer Frau einiges ab. Worauf sollten Mamas denn in dieser Zeit achten, um bei Kräften zu bleiben?

Ann-Katrin: Es ist unfassbar, was nach der Geburt alles im Körper passiert. Nicht nur körperlich, sondern auch mental passieren viele Dinge. Deshalb ist es wichtig, auf regelmäßige kleine Mahlzeiten zu achten. Zumal der große Hunger auf große Mahlzeiten in der Stillzeit eher selten ist. Hier ist es wichtig, kleine und energiereiche Snacks zu sich zu nehmen.

Livella: Du hast vorhin erklärt, dass die WHO Frauen empfiehlt, ihre Kinder sechs Monate lang voll zu stillen. Warum ist Stillen so wichtig? Und wieso ist Stillen besser als Flaschennahrung?

Ann-Katrin: Die Muttermilch enthält so viele Inhaltsstoffe, die man mit Formula, also Pulvernahrung, nie ersetzen kann. Als Mutter stellt man für das Kind die optimale Nahrung zur Verfügung. Zudem werden beim Stillen alle Sinne des Babys angesprochen. Es ist mehr als nur eine Nahrungsaufnahme. Die Oxytocin-Ausschüttung hilft außerdem dabei, dass sich die Gebärmutter bestmöglich zurückbilden kann.

Livella: Man hört ja häufig auch von Langzeitstillen. Gibt es eine Obergrenze, bis zu welchem Alter gestillt werden kann?

Ann-Katrin: Teilweise beziehungsweise zeitweise zu stillen, wird bis zum zweiten Geburtstag empfohlen. In den meisten Fällen hat das Kind aber irgendwann kein Interesse mehr an der Brust und stillt sich langsam selbst ab.

Livella: Dass so lange gestillt wird, bis das Baby von allein das Interesse verliert, ist die babyfreundliche Variante. Die Realität sieht aber ja häufig so aus, dass das Ende der Stillzeit durch die Rückkehr in den Berufsalltag bedingt ist. Hast du ein paar Tipps für Mamas, wie man sanft und ohne Komplikationen abstillen kann?

Ann-Katrin: Hier ist es wichtig, sich schon frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wann man abstillen möchte. Für das Baby ist die Brust mehr als nur eine Nahrungsquelle, sondern stillt auch das große Bedürfnis nach Nähe und Trost. Hier sollte man viel Kuschelzeit einplanen und sich Zeit zum Abstillen nehmen.

Livella: Kommen wir zum Abschluss noch zu einem ganz pragmatischen Tipp. Welche fünf Must-haves würdest du jeder Mama für die Stillzeit empfehlen?

Ann-Katrin: Silberhütchen, ein geeigneter Still-BH, kühlende Brustgelkissen beziehungsweise Quark in der Zeit des Milcheinschusses, hochwertige Stilleinlagen und eine Ecke, in der ihr euch wohlfühlt, mit einem kleinen Tisch für Snacks und Getränke.

Livella: Silberhütchen sind ein hervorragendes Stichwort. Unsere Livella Silberhütchen werden vielfach von Hebammen empfohlen. Kannst du aus deiner Sicht beschreiben, warum Silberhütchen für stillende Mamas empfehlenswert sind?

Ann-Katrin: Schon vor der Geburt meiner eigenen Kinder konnte ich bei anderen stillenden Mamas innerhalb eines Tages eine deutliche Besserung bei wunden Brustwarzen durch die Silberhütchen erkennen. Deshalb gehören sie für mich zu den absoluten Must-haves in der Stillzeit. Ich selbst habe meine beiden Kinder gestillt und hatte dank der Silberhütchen keine Probleme mit wunden Brustwarzen. Ich empfehle, die Silberhütchen schon in die Kliniktasche zu packen und nach dem ersten Anlegen auf die Brustwarzen zu legen. Darüber wird dann ein geeigneter Still-BH ohne Bügel angezogen. Es braucht keine zusätzliche Creme. Die Silberhütchen werden dauerhaft getragen und bieten den Brustwarzen so einen optimalen Schutz, um sich zu regenerieren.

Livella: Welche Erfahrungen hast du in deiner Tätigkeit als Hebamme mit den Silberhütchen gemacht?

Ann-Katrin: Ich habe sehr viele Frauen beim zweiten Kind betreut, die in der ersten Stillzeit extreme Probleme beim Stillen hatten. Diese Frauen haben in der zweiten Stillzeit von Anfang an die Silberhütchen benutzt und hatten dann keine Probleme. Sie waren mir für diesen Tipp unglaublich dankbar und haben die Silberhütchen auch Verwandten und Bekannten empfohlen.

Livella: Liebe Ann-Katrin, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.

Über Ann-Katrin Hiller

Ann-Katrin Hiller ist freiberufliche Hebamme und begleitet seit zehn Jahren Frauen und Familien einfühlsam durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Dabei bietet sie werdenden Müttern nicht nur medizinische Unterstützung, sondern auch emotionale Sicherheit. Als Hebamme im Team Livella teilt sie auf unserem Blog immer wieder ihre wertvollen Praxis-Tipps für frischgebackene Mamas und alle, die es noch werden wollen. Weitere Infos und ihre Angebote findet ihr unter www.hebamme-hiller.de oder auf ihrem Instagram-Kanal.

Stillen von A bis Z: Das große Interview mit Hebamme Ann-Katrin Hiller

2024-06-12 12:00:00
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